Los, räum’ Dein Zimmer auf!“ Wenn meine Mutter mir früher mit dieser Forderung entgegentrat, antwortete ich in der Regel mit: „Ja, gleich!“ Die Antwort meiner Mutter war ebenso vorhersehbar: „Nicht gleich, jetzt!“ „Ja, jetzt gleich!“ Damals, als ich mein Zimmer weder gleich noch jetzt aufräumte, gab es noch einen – den Familienfrieden durchaus gefährdenden – Unterschied zwischen „gleich“ und „jetzt“. Aber den gibt’s doch heute auch noch, fühlt man sich genötigt zu denken. Jetzt gleich nicht mehr…
Auf der Bedeutungsebene liegt der Unterschied auf der Hand: „Jetzt“ kommt vor „gleich“. Zwischen Gegenwart und jetzt passt nichts mehr, wohingegen zwischen Gegenwart und gleich durchaus noch so einiges Platz findet. Zum Beispiel ein Abendessen wie in „gleich nach dem Abendessen“. Im Fernsehen gelten diese Regeln nicht. Im Fernsehen ist „jetzt“ „gleich“ und „gleich“ „später“. Liest man nämlich in einem Programm-Trailer: „Zärtliche Cousinen...
jetzt“, dann kann man sich getrost noch ein Abendessen zubereiten und zu sich nehmen. Denn die zärtlichen Cousinen kommen nicht jetzt, also sofort. Vorher kommt noch der Rest der laufenden Sendung, dann ist zu lesen „gleich geht’s weiter“, dann gibt’s Werbung, dann kommt der Abspann der laufenden Sendung, dann kommt das Versprechen, dass jetzt tatsächlich die zärtlichen Cousinen kommen, nach nur einem Spot. Dann kommt der eine Spot, dann kommt natürlich noch ein Spot, der mich darüber informiert, dass die nachfolgende Sendung von „Ollobollo Hackfleischbällchen“ gesponsert wird. Und dann habe ich pünktlich zum Beginn der „Zärtlichen Cousinen“ zu Nacht gegessen, bin satt und schalte um, weil ich jetzt eigentlich gar keine Lust mehr auf die „Zärtlichen Cousinen“ habe. Die kommen auch ohne mich klar, zärtlich wie die sind.
Aber die Sprachverwirrung geht gleich noch weiter. Nicht nur, dass „jetzt“ „gleich“ und „gleich“ sonstwas heißt. Unser (jetzt noch) Medienkanzler, der Gerd, hat das mit dem „Jetzt“ und dem „Gleich“ noch etwas verfeinert. Und das geht so: Ihr, also die SPD, sprecht mir jetzt das Misstrauen aus, vertraut mir aber gleich danach wieder so sehr, dass ich im Falle von Neuwahlen als Kanzlerkandidat antrete. Oder noch verwirrender: Wer mir immer schon vertraut hat, misstraut mir jetzt und gleich wieder nicht mehr. Also ist Vertrauen Misstrauen und Misstrauen Vertrauen. Oder wie es die drei Hexen in Macbeth so treffend feststellen: „Fair is foul and foul is fair.“
Man versuche sich diese Argumentation – oder feiner formuliert: diese Dialektik – mal in einer „normalen“ Mann-Frau-Beziehung vorzustellen. Sie: „Willst Du Dir jetzt etwa diesen Soft-Porno anschauen?“ Er: „Gleich!“ Sie: „Jetzt vertraue ich Dir nicht mehr!“ Er: „Das ist der Beweis dafür, dass Du mir immer vertraut hast und mir gleich wieder vertrauen wirst!“ Sie: „Ich will die Scheidung! Jetzt!“ Er: „Aber nur, damit wir gleich wieder heiraten können.“ Sie: „Du verstehst mich nicht mehr!“ Er: „Jetzt vielleicht nicht, aber gleich, ich schau nur grad noch die Werbung fertig, da kommt jetzt nämlich „Zärtliche Cousinen“, Schatz.“ Sie: „Das ist mir gleich!“ Und er: „Jetzt auf einmal!“
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