Freitag, 17. April 2009

Früher war alles weniger


Früher war alles besser. Ist natürlich Quatsch, ist aber trotzdem so. Weil früher war alles weniger. Früher waren wir froh, wenn wir nichts hatten. Da gab's über die Woche Wassersupp'. Und sonntags Steinsupp'. So war das nämlich. Da braucht mir hier kein TV-Pimprider irgendwas zu erzählen. Wir waren froh, wenn wir zu Weihnachten eine Erkältung bekamen, ganz zu schweigen von einem Kater an Neujahr. Und der Fernseher war - mangels Programm - die meiste Zeit über aus. Mosaik war doof, aber verheißungsvoll.

Zu Mosaik saßen wir mit angezogenen Knien auf dem Flokatiteppich und warteten, dass das Kinderprogramm anfing. Spaß am Montag mit Zini, freitags gab's Männer ohne Nerven oder Paulchen Panther. Noch der echte Paulchen, mit Hanns Dieter Hüsch als Synchrondichter. Mosaik war eine Seniorensendung. Die erste Sendung am Tag, mit spannenden Live-Reportagen aus dem Hüftgelenkstudio. Fernsehen von Senioren für Senioren. Damals gab es auch noch so etwas wie Sendeschluss. Übrigens: Wenn ich einer Generation angehöre, dann nicht der Generation Golf - ich hatte nie einen Golf, wollte auch nie einen - sondern der Generation Sendeschluss. Kann sich das heute eigentlich noch einer vorstellen? Es gab vor vier Uhr mittags, frühestens, kein Fernsehprogramm, außer am Wochenende. Keine Werbung nach 20 Uhr. Und gegen Mitternacht fiel der Hammer. Da war fernsehen noch so spannend, dass man sich den katholischen Gottesdienst sonntagmorgens angesehen hat, nur weil man es nicht erwarten konnte, bis Spencers Piloten endlich kamen. Damals gab es noch eine plausible Entschuldigung dafür, dass man sich jeden Mist angeschaut hat. Etwas später dann erkannte man die Familien mit Kindern daran, dass sie RTL-Plus-Antennen auf den Dächern hatten. Mit den schnöden, öffentlich-rechtlichen Fischgräten-Antennen konnte man den ersten Privatsender bei uns nicht empfangen. Da gab es Knight Rider. Und kaum ein wohlsorgendes Elternpaar konnte sich dem sozialen Druck widersetzen, den die Kinder aus der Schule von den Kindern mit nach Hause brachten, die Knight Rider auf RTL-Plus gesehen hatten. "Papa, Mama, bekommen wir auch RTL, biiittte. Ich will auch immer artig meine Wassersuppe aufessen." Damit wurde dann aber auch die Freizeit knapper. Man konnte nicht mehr so oft RAUS gehen, man musste ja Knight Rider gucken oder der Mann aus dem Meer oder Clip-Connection. Das kam dann schon mittags. Eine Endlosschleife mit Musik-Videos, jeden Tag die selben, bevor das eigentliche Programm anfing, das aber auch eher an Radio erinnerte. Nur, dass jemand die Moderatoren filmte. Mit Clip-Connection wurden wir langsam an die bunte MTV-Welt gewöhnt, von der es bis dato nur ominöse Gerüchte aus Amerika gab. An Viva dachte damals noch niemand. Und obwohl Clip-Connection jeden Nachmittag die selben Videos in der der selben Reihenfolge brachte, klebten wir am Bildschirm.

Die Stereo-Ton-Versuchssendung am Nachmittag im Zweiten konnte da einfach nicht mithalten. Zumal niemand einen Stereofernseher hatte, was die Ping-Pong-Demonstration doch recht - sagen wir mal - eintönig machte... Von 1994 bis 2004 ist die durchschnittliche, tägliche Sehdauer von 167 auf 210 Minuten gestiegen. Also um rund ein Viertel. Das hat eine Untersuchung von SevenOneMedia ergeben. Der Grund für den erhöhten Fernsehkonsum sind aber wahrscheinlich nur die längeren Werbepausen. Ja, ja, früher war alles besser. Früher konnte man noch den Fernseher ausschalten, weil ein Testbild so spannend nicht ist. Da hatte man noch Zeit für ein ausgedehntes Mittagessen mit der Familie, vor allem, wenn Mutter sonntags ein paar besonders große Kieselsteine, extra für ihren Liebling, in die Suppe getan hat.

1 Kommentar:

  1. Unterschichtenfernsehen oder was ?

    Unterschichtenfernsehen ist nicht gleich Unterschichtenfernsehen. Es entstand vor ungefähr 20 Jahren, als befürchtet wurde, dass das seinerzeit nachts gesendete Testbild einen Teil der Bevölkerung intellektuell überforderte.

    Hier gbits noch mehr...

    http://www.stupidedia.org/stupi/Unterschichtenfernsehen

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