Donnerstag, 30. April 2009

DAS KAUFHAUS DER VERGESSENEN KINDER


Das Bällchen-Paradies für Kinder, das große Kaufhäuser anbieten, wird von Eltern als Segen angesehen. Man kann das Kind vorne im Laden abgeben und während man in Ruhe durch das Kaufhaus bummelt, erfreut sich das Kind gemeinsam mit anderen Kindern in einem Aquarium, gefüllt mit bunten Bällchen. Da sich unsere aktuelle Ausgabe dem Thema Mythen widmet, soll an dieser Stelle ein moderner Mythos, nämlich der Mythos der vergessenen Kaufhauskinder, Erwähnung finden.

So trägt es sich nämlich zu, dass Kinder in diesen Bällchen-Paradiesen vergessen werden: Die mit Einkäufen voll bepackten Eltern, gestresst und entnervt, die vor lauter, lauter ihr Kinder vergessen oder solche, die sich im Kaufhaus rettungslos verlaufen und nie wieder hinaus finden – gerade das soll gelegentlich in schwedischen Einrichtungshäusern vorkommen – sind Ausgangspunkt solcher Mythen. Doch was geschieht mit den Kindern? Vor allem dann, wenn sie langsam erwachsen werden und den kleinen Neuankömmlingen nicht nur den Platz, sondern – möglicherweise vor Hunger – auch ihre Süßigkeiten wegnehmen. Große Warenhäuser haben sich darauf eingestellt und lassen die vergessenen Kinder außerhalb der Öffnungszeiten in ihren Verkaufsräumen wohnen, dort machen sie sich mit dem Sortiment vertraut, und versteckt hinter Vorhängen und Stühlen, unter Tischen und in Kisten beobachten sie das tägliche Treiben im Kaufhaus. Bis sie eines Tages der Gesellschaft als perfekte Verkäufer zurückgegeben werden. Diese Verkäufer erkennt man daran, dass sie auf ihrem Namensschild nur den Vornamen tragen.

Und so geschah es vor Kurzem, dass einem älteren Ehepaar ein Verkäufer auffiel, der sie an irgendetwas erinnerte. Erst beim Verlassen des Kaufhauses meinte die Frau zu ihrem Mann:
„Dieser Verkäufer Ingo war wirklich sehr zuvorkommend. Ach, ich wünschte wir hätten auch einen Sohn wie ihn.“ Worauf der Mann meint: „Hatten wir nicht mal einen Ingo? Wo ist der
eigentlich?“ Seltsam, aber so steht es geschrieben…

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